Wird sicher lustig? - Markus Schlüter inszeniert mit der Freiburger Schauspielschule Orwells "Die Farm der Tiere"
Achtung, kein Witz. Unterhalten sich zwei junge Zuschauer: Ob sie wisse, worum es in dem Stück gehe, fragt er vor der Premiere von "Die Farm der Tiere" der Freiburger Schauspielschule im E-Werk. Sie ist unentschieden. Man einigt sich auf: eine Revolution von Schweinen – wird sicher lustig!
Ob George Orwell ausreichend britischen Humor besaß, um an dieser Einschätzung seiner 1944 geschriebenen bitteren Satire auf den Verrat der sozialistischen Idee durch den Stalinismus Freude gehabt zu haben, muss ungeklärt bleiben. Der engagierten Truppe um Regisseur Markus Schlüter freilich darf attestiert werden, dass sie Orwells Stück angemessen durchdrungen und klug präsentiert hat – nicht lustig, aber unterhaltsam.
Es geht bildmächtig los auf der tiefen, von roten Glühlampen nur mäßig erhellten, bis auf zwei Podeste leeren Experimentalbühne: Die Tiere der "Herrenfarm" marschieren ein – und mit ihren stampfenden Füßen und ihren nach dem Takt der Musik von Hannah Schwegler wiegenden Körpern sieht man Schweinen und Pferd, Ziege und Kuh, Huhn und Schaf die Mühsal an, die sie als ausgebeutete Arbeitstiere erleiden müssen.
Schon hier fallen die kleinen Details auf, auf die Schlüter wert legte: Jana Ludwig ruckelt so eigenwillig mit ihrem Kopf, dass man gleich weiß, dass sie das Huhn verkörpert. Auch Jakob Stöckelers Hofhund ist leicht zu identifizieren – ebenso geriert sich Nils Jensen als Napoleon von der ersten Minute an, äußerlich nur unterstützt von seinem hochgeschlagenen Hemdkragen, als arrogantes Führerschwein. Die Schweine sind bekanntlich die, die das Schicksal des Hofs bald in ihre Klauen nehmen, die Regeln aufstellen, die sie nur kurze Zeit später – jetzt als Diktatoren – wieder umwerfen. So wird aus "Alle Tiere sind gleich" bald "Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher".
Stark ist die knapp 90 Minuten dauernde Inszenierung besonders dort, wo das Schauspiel der jungen Darstellerinnen und Darsteller mit choreografierter Bewegung und der packenden Musik zusammenwächst. Von den überwiegend in hellgraue Alltagskleidung gehüllten Akteuren geht eine mitreißende Dynamik aus. So wird sichtbar, was auch für die Aussage des Stücks wichtig und durchaus auf heutige Verhältnisse übertragbar ist: das Verhältnis zwischen der Masse und dem Einzelnen, die Bedeutung, die der Einzelne in einem Gefüge hat, wenn er seine Stimme rechtzeitig erhebt, wenn er eintritt für die Sache, für die es sich aus seiner Sicht einzutreten lohnt.
"Die Farm der Tiere" ist ein Stück, das auch junge Menschen kennen sollten. Der Besuch dieser Inszenierung ist eine gute Gelegenheit dazu.
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Badische Zeitung (Heidi Ossenberg), 12. Januar 2019